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Design fürs Herz

Manchmal muss man fest in den Arm genommen werden. Dieses Gefühl sollen auch Möbel geben: Auf der Mailänder Möbelmesse zeigten die Hersteller umarmende Sitzmöbel.

Wer da nicht ein Stück Wiener Moderne drin erkennt, schaut besser noch mal hin. Das Sofa Paradise Bird von Wittmann, entworfen von Luca Nichetto. FOTO WITTMANN/DPA

Eine Umarmung, das ist, was wir alle in diesen Zeiten von Krieg und Pandemie, von Unsicherheit und Verletzlichkeit brauchen. Aber: Man kann sie oft nicht bekommen, denn wir umarmen wegen der Infektionsgefahr selbst Freunde und Familie nicht mehr so oft wie früher.Aus solchen Entwicklungen, solchen Gefühlen und Sehnsüchten entstehen Trends und mit ihnen Produkte, die uns genau das geben sollen. Daher dürfte es jetzt eigentlich niemanden wundern, warum es gerade viele Möbel gibt, die zu umarmen scheinen. Das war auf der Einrichtungsmesse Salone del Mobile in Mailand zu sehen, der weltweit wichtigsten Schau der Möbelbranche.Ein gutes Beispiel für diesen Trend ist der Sessel Sova Loungechair des Designers Patrick Norguet für Zanat. Sein Holzgestell wirkt wie eine menschliche Figur, die Sitzende mit weiten, einladenden Gesten für den Moment festhält.

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Selbst ein Marmortisch – sein Name ist „Blevio“ – kann mit Rundungen noch gemütlicher aussehen. FOTO MOLTENI&C/DPA
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Der Sova Loungechair von Zanat FOTO ZANAT/DPA
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Der Sessel OLOs von Mauro Lipparini für Bonaldo hat eine Schale aus gebogenem Schichtholz. FOTO BONALDO/DPA

Polster, die den Rücken umarmen sollen

Auch Mauro Lipparini hat für Bonaldos Neuheit ein solches „organisches Design“ gewählt: Der Sessel OLOs hat eine Schale aus gebogenem Schichtholz, die dank ihrer Elastizität den Sitz fast wie mit einer Umarmung umschließt, so das Unternehmen.

Sebastian Herkners Stuhl Morton für Wittmann ist ein weiteres Beispiel. Die zweiteilige Rückenpolsterung umschließt den Körper sanft, so der Hersteller. „Der Gedanke des Umarmens kann eine gewisse Sicherheit, eine Geborgenheit bieten“, sagt Designer Sebastian Herkner. „Es sind natürlich turbulente Zeiten. Da dachten wir, Corona sei mehr oder weniger vorbei, jetzt haben wir das Desaster mit der Ukraine. Ich glaube, dass wir daher so ein Gefühl brauchen. Der Schulterschluss, die Umarmung ist da eine tolle Geste.“ Diese Geste vermittele der Stuhl Morton nicht nur durch seine Form. Er schwingt auch etwas zurück, wenn man sich darauf setzt.

Das Umarmen ist in aller Munde vielleicht gerade auch, weil es in Italien so sehr zu einer herzlichen Begrüßung dazugehört. Manches gerade neu erscheinende Möbel heißt deswegen auch bewusst so: Hug ist eine Tischserie von Giulio Iacchetti für Fantin.

„Für mich ist das Umarmen und wieder Annehmen das große Thema dieser Messe“, sagt der Designer. „In unserer Zeit ist es schwierig geworden mit dem Umarmen. Wir müssen nicht nur davon sprechen, uns wieder umarmen zu können, sondern es auch wieder wirklich tun.“

Der Weg, den Fantin und der Designer gingen, ist auch nicht selbstverständlich für das Unternehmen: Bislang fertigte es Metallmöbel mit ausschließlich rechteckigen Strukturen. Mit Hug gibt es erstmals eine Produktserie aus mehreren Tischen, die rund geformte Metallteile haben. Und die sich tatsächlich auch noch umarmen können.

Rundungen statt Kanten, weichere Formen statt harter Schnitte, all das ist nicht neu an Möbeln. Schon bei der letzten Mailänder Schau vor Corona, 2019, sah man immer mehr solcher Möbel. Und die Hersteller sprachen viel von mehr Heimeligkeit, mehr Weichheit – von Zeiten der Unsicherheit, in denen die Menschen etwas Geborgenheit bräuchten.

Rund, rund, rund – und weich darf es auch sein

Nun sind mehr als drei Jahre vergangen und die Welt hat sich in einem ungeahnten Maße verändert. Aber dieses Grundbedürfnis der Menschen ist heute mehr denn je Zeitgeist. Und das sieht man in Mailand in vielfältiger Weise: Es gibt abgerundete Kommoden und Schränke, weich gepolsterte Bettgestelle, Sofas, in die man versinken könnte.

Und man hört Aussagen wie diese immer wieder: „Wir haben in diesem Jahr gar keine scharfen Kanten, es dreht sich alles um das Konzept Umarmung“, sagt eine Vertreterin vom italienischen Einrichter Molteni & C bei der Präsentation der Neuheiten.

Der Kniff gelingt: So kann selbst der Tisch Blevio in der Variante mit Marmor-Platte, einem eigentlich recht kühlen Material, dank der stark abgerundeten Tisch-Enden und gerundeten Tischbeinen wohnlich(er) wirken.

Manches Möbel wurde sogar der aktuellen Gefühlslage angepasst. So erhält die Sofaserie Paradise Bird von Luca Nichetto für Wittmann nun eine Variante mit geschlossener Rückseite statt einer bislang offenen Stabkonstruktion.

„Die erste Variante war offener, denn als ich sie designt habe, gab es mehr Offenheit“, sagte Designer Nichetto im Interview auf der Mailänder Möbelmesse. „Ich habe die neue Variante mehr geschlossen, denn ich denke, wir brauchen gerade mehr davon. Und schau dich um, auch wenn wir hier keine Masken mehr tragen müssen, viele Menschen tun es weiterhin. Sie wollen mehr Schutz.“ dpa