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100 Jahre Martinszug in Bork

Eines der größten Ereignisse des Jahres ist der Martinsumzug. 1924 machten sich Jung und Alt zum ersten Mal auf den Weg, um dem Heiligen Martin zu folgen.

Das war der erste Martinszug in Bork im Jahr 1924. FOTO MARTINSGESELLSCHAFT

Der St.-Martinszug ist in Bork eines der größten Ereignisse des Jahres. Hunderte von Menschen – jung und alt – machen sich auf den Weg, um St. Martin zu folgen und die Geschichte der Mantelteilung zu erleben. 1924 kam es in Bork zum ersten Mal zu diesem Ereignis.

Und das kam so: Der gebürtige Rheinländer Gustav Glaser kam als Amtsbaumeister nach Bork und gründete 1924 den ersten Martinszug im weiteren Umkreis. So steht es im großen Bork-Buch, geschrieben von Meinolph Schröder.

Er hat herausgefunden, dass Bauern Äpfel spendeten und dazu das Mehl, aus dem die örtlichen Bäcker leckere Spekulatius backten. Diese Gaben schenkte ein als heiliger Mann verkleideter Borker den Kindern. Und fortan folgten sie ihm an jedem 11. November mit Laternen durch das Dorf. Anfangs begleiteten die Schulkinder St. Martin singend durch die Straßen, während die Erwachsenen am Straßenrand dem Zug zusahen.

Das Jahr 1924 war auch das Jahr der Gründung der Borker Martinsgesellschaft. Die Mitglieder besorgten Süßigkeiten, planten den Zug. Und sie gingen von Haus zu Haus, um Geld für Martinstüten zu sammeln. Musikalische Untermalung gab es damals auch. So hat es Maria Göcke Fleiter – eine engagierte Borkerin – erzählt.

Die Messdiener mit ihrer großen Laterne ziehen immer mit. FOTO (A) JURA WEITZEL
Die Messdiener mit ihrer großen Laterne ziehen immer mit. FOTO (A) JURA WEITZEL

Der Zweite Weltkrieg brachte eine Unterbrechung. Die Borker mussten auf ihre Martinszüge verzichten. Nach dem Krieg zogen neben den Kindern auch Erwachsene im Zug mit. Bis zu 3000 Teilnehmende trafen sich zum Abschluss auf dem Hof der Hauptschule.

Viele besondere Momente haben die Borkerinnen und Borker zu St. Martin erlebt. Der Kamener Künstler Lothar Kampmann gestaltete eine Bronzefigur zum Thema St. Martin. Sie wurde 1992 gegenüber von Haus Reygers aufgestellt. 2010 wurde Bork Teil des Kulturhauptstadtjahres. Rund um das Amtshaus entstand ein Lichtermeer.

Pannen gab es auch in diesen bisherigen 100 Jahren der Borker Martinszüge. Einmal streikte das Pferd und ließ St. Martin zu Fuß gehen. Bei einem anderen Umzug fehlte plötzlich der Bart für St. Martin. Die Polizei brachte ihn mit Blaulicht. In einem weiteren Jahr wurde das Pferd krank und St. Martin fuhr im Leiterwagen im Zug mit.

Die Coronapandemie machte 2020 den Martinszug unmöglich. Die Borker ließen sich was einfallen. Sie errichteten auf der Hauptstraße eine Martinsgalerie. Viele Schaufenster wurden mit den Insignien des Borker Martinszuges geschmückt. Matthias Lange schuf ein Video über die Martinsgeschichte.

Was der Martinszug bedeutet, mag eine Zahl verdeutlichen. Meinolph Schröder schreibt im Bork-Buch, dass im Laufe der Jahrzehnte rund 90.000 Tüten gepackt wurden. „Das bedeutet: Die Martinsgesellschaft hat über die Jahre für 180.000 leuchtende Kinderaugen gesorgt.“

Wer das alles weiß, dem wird auffallen, dass sich bis heute zwar zum Beispiel die Ausstattung der Laternen mit elektrischen statt mit echten Kerzen geändert hat. Aber der Geist der Martinszüge ist noch der aus der Anfangszeit. „Es engagieren sich nach wie vor unheimlich viele Menschen für den Martinszug“, sagt Jochen Beese von der Martinsgesellschaft. Freiwillig, ehrenamtlich. Nach wie vor gehen Helferinnen und Helfer von Haus zu Haus und bitten um Spenden für die Bons für die Tüten. „Wir verkaufen die Tüten also nicht, sondern jeder gibt, was er kann“, führt Heinz-Willi Quante von der Martinsgesellschaft aus. „Und wenn jemand nichts geben kann, bekommt er trotzdem eine Tüte.

Größtes Ereignis

Was noch geblieben ist: „Der Martinszug ist das größte Ereignis in Bork“, erklärt Heinz-Willi Quante. „Wir haben damals andächtig zum St. Martin hochgeschaut“, berichtet seine Tochter Martina aus ihrer Kinderzeit. Für sie waren die Martinszüge noch aus einem anderen Grund besonders: Ihr Vater Heinz-Willi Quante war seit 2000 St. Martin hoch zu Ross. „Ich war schon stolz auf ihn“, sagt sie. Und über ihre Martinstüte freue sie sich auch heute noch, wo sie erwachsen ist.

Heinz-Willi Quante wird in diesem Jahr beim Jubiläumszug das letzte Mal das Bischofsgewand tragen. Sein Nachfolger ist Matthias Lange. Quante denkt gern an die Zeit zurück. Obwohl: „Ich bin mal mit der Mitra gegen die Skulptur Citizen vor dem Amtshaus geknallt, das hat ganz schön gerummst.“

Ansonsten waren die Umstände den Borkern bei ihren Martinszügen gewogen. „Petrus muss ein Fan der Borker Martinszüge sein“, führt Jochen Beese als Beispiel an.

Die Martinszüge sind Generationssache. Ganze Familien ziehen mit. Andere wiederum kommen extra von auswärts nach Bork zurück, um alte Freunde und Bekannte zu treffen.

Die Dorfgemeinschaft funktioniert nicht nur beim Organisieren des Zuges. Und genau das macht die spezielle Atmosphäre des Borker Martinszuges aus. So wird es auch wieder am 10. November 2024 ab 17 Uhr sein, wenn der Jubiläumszug durch Bork zieht. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu wissen, dass auch dann wieder unzählige Menschen die Gelegenheit ergreifen, dieses Ereignis mitzuerleben. Arndt Brede