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Ein Vater des Grundgesetzes

Viele Widerstände musste Lambert Lensing überwinden, bevor am 1. März 1949 die erste Ausgabe der Ruhr Nachrichten erscheinen konnte. Er gehörte zum Parlamentarischen Rat, der in Bonn das Grundgesetz erarbeitete.

Langjährige Weggefährten: Lambert Lensing (r.) und Kanzler Konrad Adenauer FOTO ARCHIV

Das Haus der Geschichte in Bonn. 1945. Deutschland seit Fotos, Erinnerungen, die aufwühlen. Hakenkreuzfahnen als Siegestrophäen der alliierten Soldaten. Ein Jeep der US-Armee vor eingerissenen Mauern. Überlebende Häftlinge im Konzentrationslager Dachau. Die „Großen Drei“, Churchill, Truman, Stalin, Hand in Hand im Juli 1945. So strahlen Sieger. Meilensteine der Geschichte, unserer Geschichte: Das Scheitern der Viermächte-Regierung, die Anti-Hitler-Koalition zerbricht. Die Währungsreform, jeder westdeutsche Erwachsene bekommt 40 DM. Die Berlin-Blockade, die Rosinenbomber dröhnen über der späteren Hauptstadt.

Noch ist es ein beschwerlicher Weg bis zur Gründung eines Weststaates, bis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung für die Bundesrepublik Deutschland; im Museum aber sind es nur noch wenige Schritte bis zu einem unscheinbaren Raum, wäre da nicht der rot-weiße Grenzpfahl, Symbol für die Trennung von West und Ost.

An der Wand hängt eine Zeitungsseite. „Die Neue Zeitung“ stellt mit Fotos und Zitaten, so ihre Überschrift, die „Väter der Verfassung“ vor und übersieht, dass auch vier Frauen zum Parlamentarischen Rat gehören. Dessen Präsident ist Konrad Adenauer, der die Richtung und den Zeitungsmachern die Unterzeile auf der Seite vorgibt:„Die Einheit Deutschlands ist und bleibt unser Ziel.“

Einer der 65 Parlamentarier, die in langen Verhandlungen das Grundgesetz schaffen, die Geschichte schreiben, ist Lambert Lensing, der spätere Gründer der Ruhr Nachrichten. In der vierten Reihe sehen wir sein Foto, lesen sein Zitat: „Wir haben die Aufgabe, von den Westzonen aus die Voraussetzung für die Sicherheit in Deutschland zu schaffen und dabei den berechtigten Wünschen der Länder Rechnung zu tragen.“ Rückblick. Am Kriegsende steht Lambert Lensing jun. vor dem Nichts. Alles liegt in Trümmern. Die Dortmunder Innenstadt, das Verlagshaus, sein Leben. Sein jüngerer Sohn Helmut Heinrich ist 1943 in Russland gefallen. Lambert, der zweite Sohn, kehrt nicht von der Ostfront zurück, wird 1957 für tot erklärt.

Mehrmals haben die Alliierten den Stadtkern bombardiert, am 12. März 1945 flogen sie mit 1069 viermotorigen Bombern einen der schwersten Angriffe auf Dortmund, warfen 4851 Tonnen Sprengbomben ab. Sie pflügen das schon zertrümmerte Verlagshaus nochmals um.

Lambert Lensing, geb. am 14. November 1889, Gymnasiast in Emmerich, Volontär in Essen, studierter Rechtswissenschaftler, im Ersten Weltkrieg Soldat an der West- und Ostfront, muss in seinem Leben so manchen Rückschlag erleiden. Als sein Vater Lambert sen. Ende 1928 stirbt und der Junior die Zeitung Tremonia weiterführt, bricht die Weltwirtschaftskrise aus. Lambert Lensing engagiert sich als Stadtrat, als Vorstandsmitglied der Dortmunder Zentrumspartei und Vorsitzender des Niederrhein-Westfälischen Verlegervereins. Ständig greift die Tremonia Hitler und seine Gefolgsleute in Leitartikeln an. NS-Organisationen feinden ihn an, SA-Leute dringen in den Betrieb ein, traktieren den Verleger mit Schlägen, Fuẞtritten.

Nach dem Krieg denkt der Gründer der CDU Westfalen und deren 1. Vorsitzender nicht ans Aufgeben. Mit einigen Mitarbeitern schafft er die Trümmer weg, findet in einem unversehrten Keller Rotationsmaschinen. Mit ihnen werden am 11. Mai 1945 die ersten Bekanntmachungen der Stadt unter britischer Militärregierung gedruckt.

Verleumdungen, er wäre ein Freund des NS-Regimes gewesen, können ihn nicht aufhalten, sein Ziel zu erreichen: Am 1. März 1949 starten die Ruhr Nachrichten mit einer Auflage von 120.150 Exemplaren.

Das Haus der Geschichte. In der Mitte des Raumes stehen zwei Holztische. Hier saßen Konrad Adenauer, Lambert Lensing und ihre Mitstreiter. Die Schlichtheit der Tische und Stühle spiegelt nicht nur die Armut, die Bescheidenheit der Zeit wider. Sie steht für das Selbstverständnis des Parlamentarischen Rates. Dieser wollte keine Verfassung mit langer Lebensdauer, sondern ein Grundgesetz für die Übergangszeit bis zur Deutschen Einheit.

Zwei Etagen höher fällt die Mauer, wir gehen durch das nachgebaute Brandenburger Tor. Im Pressehaus hängt ein Bild, gemalt von Markus Lüpertz. Es erinnert an Artikel 5 des Grundgesetzes, es erinnert an Männer und Frauen, die wertvolle Arbeit geleistet haben. Es erinnert an den Gründer der RN vor 75 Jahren. Hermann Beckfeld