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Yeti in freier Wildbahn

Seit 34 Jahren ist Maud Herrlein dem Landestheater treu. In dieser aufregenden Zeit hat sie viel erlebt.

Maud Herrlein ist seit 34 Jahren am WLT. FOTO BEUSHAUSEN

Ein gehäkeltes Schweinkostüm. Oder „Der kleine Häwelmann“, auch Der Mann von La Mancha“. Aber auch „Die Frau in Schwarz“. Maud Herrlein muss nicht lange überlegen, wenn sie nach Theater-Highlights in ihrer Zeit am Westfälischen Landestheater (WLT) gefragt wird. Sie hat in den vergangenen 34 Jahren viel erlebt, seit sie am 18. August 1989, nach Abitur und Schneiderlehre, als Ankleiderin am WLT in Castrop-Rauxel anfing.

Seit Sommer 1997, unmittelbar nach ihrer Meisterprüfung, ist sie die Leiterin der Kostümabteilung. Als „Theater-Yeti“ - eine Bezeichnung, die sich langjährige Ensemblemitglieder verdienen hat sie einige kommen und gehen sehen, aber sie hat auch einige Wegbegleiter, mit denen sie schon lange Zeit und gerne zusammenarbeitet.

Überhaupt, die die Zusammenarbeit im Team, in der Theaterfamilie: das ist es, was Arbeiten und Leben am WLT ausmacht „Theater-Yeti“ ist die passende Bezeichnung, die sich langjährige Ensemblemitglieder verdienen. Ohne die Kollegen aus ihrer und aus den anderen Abteilungen wäre der stressige Job nicht zu stemmen.

Fremde Ansprüche

Ein Kontinuum sind plötzliche Umbesetzungen, immer neue Schauspielgäste, hohe eigene und fremde Ansprüche an die Qualität auch ihrer Arbeit. All das macht den Reiz der Arbeit aus, ist aber auch als ständiger Begleiter Auslöser für gesundheitliche Probleme. Auch Maud Herrlein kann davon ein Lied singen. Aber sie ist immer wieder aufgestanden. Ihre Lieblinge der Spielzeit sind die musikalischen Produktionen für die große Bühne.

Als Ausstatterin zeigt sie, dass sie sich nicht nur mit Stoffen und Schnittmustern auskennt. Sie recherchiert ganz genau Mode- und Kulturgeschichte der Zeit, in der das Stück spielt. So war es auch für die Revue „Als gäb's kein Morgen - Die wilden 20er-Jahre“. Tucholsky, Benn und Heinrich Mann etwa in der Literatur, George Grosz, Kandinsky, Klee oder Klimt in der Malerei, alles findet Eingang in ihre Überlegungen zu authentischen Kostümen.

Die Schnitte von damals reichen ihr nicht. Auch die Qualität muss original sein. „So schöne Stoffe bekommst Du heute nicht mehr. Diese Qualität, das wird heute einfach nicht mehr hergestellt“, beobachtet die Kostüm-Expertin. „Damals waren Frauen und Männer einfach auch schön gekleidet“, schwärmt sie. Männer mit Hut, Frauen mit raffinierten Schnitten und femininer Silhouette, diese Welt hat Maud Herrlein eingefangen, um eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Da Zeitreisen zu ihrer großen Betrübnis nicht funktionieren, bleibt es bei detaillierter Recherche. Hinzu kommt bei musikalischen Produktionen, dass die Schauspieler sich bewegen und die Kleidung jede Choreografie mitmachen muss. Auch schnelle Kostümwechsel müssen umsetzbar sein.

An diesen Herausforderungen wachsen Herrlein und ihr Team. Im Kinder- und Jugendtheater beispielsweise ist immer viel Fantasie gefragt, es soll farbenfroh sein, aber trotzdem authentisch zu Stück und Inszenierung passen. So sind zum Beispiel Helme Heines „Freunde“ ab Oktober unterwegs. Maud Herrleins Kostümabteilung fertigt natürlich auch hier die Kostüme. Eine Freude und Aufgabe zugleich, die Schauspieler inszenierungsgerecht einzukleiden.

Neben der Kreativität hat Maud Herrlein als Leiterin der Kostümabteilung auch die Kosten im Blick. Die Budgets limitieren einiges an Ideen und zwingen zu kreativen Lösungen. Für den „Kleinen Vampir“ etwa mussten Stoffe aus den USA bestellt werden - da liegt es nahe, dass an anderer Stelle Kosten reduziert werden müssen.

Selbst noch so geliebter Stress muss pausieren. Auch wenn morgens der Caro-Kaffee hilft und nach Feierabend Partner, Couch und Katzen sie zum Lachen und zur Ruhe bringen, ohne entspannte Urlaube wären die bisherigen 34 Jahre und die zukünftige Zeit schwer durchzuhalten.

Zu sich kommt Maud Herrlein auf Reisen. Asien hat es der Bochumerin angetan. Dort kann sie den herausfordernden Alltag vergessen und Ruhe und Kraft tanken.

Was im Gedächtnis bleibt

Übrigens, das gehäkelte Schweinekostüm war eines der ersten selbst gefertigten Kostüme. „Der kleine Häwelmann“ wird Maud Herrlein immer im Gedächtnis bleiben, weil es ihre erste eigene Ausstattung war und weil ihre Oma im Publikum saß.

„La Mancha“ war eine aufwendige musikalische Produktion für drinnen und draußen mit historisierenden Kostümen und großem Ensemble. Stephen Mallatratts „Die Frau in Schwarz“ ist nach Herrleins Ansicht das beste Stück des WLT in den vergangen Jahren. Petra Zimmermann