Die besten Jahre - Das Alter macht gelassener Anzeige

Der Schlüssel zur Gelassenheit

Das Alter macht Menschen gelassener, heißt es oft. So pauschal lässt sich das aber gar nicht sagen.

Vermeintliche Verpflichtungen ignorieren und den Moment genießen: Wem das gelingt, der ist auf gutem Wege zu mehr Gelassenheit. FOTO ADOBE STOCK

Rumtoben mit den Enkelkindern? Das macht die Hüfte vielleicht nicht mehr mit. Eine liebe Freundin besuchen? Die ist nach schwerer Krankheit verstorben. Und größere Reisen? Davon bleiben nur die Fotos im Album. Neue Pläne wird es nicht mehr geben.

Mit dem Alter kommt für viele das Gefühl, etwas zu verlieren. Und das schmerzt. Aber es gibt auch etwas zu gewinnen - und zwar im Inneren: Ruhe, Akzeptanz, Zufriedenheit. Und damit oft auch großen Genuss an kleinen Dingen des Alltags.

Doch warum gelingt das einigen Menschen besser als anderen? Und wie kann man sich etwas mehr von dieser Gelassenheit ins Leben holen?

Was ist Gelassenheit überhaupt?

Das hängt davon ab, wie man den Begriff auslegt. „Es kann von Wohlbefinden im Alter die Rede sein, von positiven Gefühlen wie Ruhe oder Entspannung, die aber nicht aufregend sind", sagt Prof. Maria Pavlova, Fachgebietsleiterin Psychologische Gerontologie an der Universität Vechta.

Man kann den Begriff aber auch anders ausrichten, als Phänomen, dass manche Menschen weniger stark auf negative Erlebnisse reagieren."

Entwickelt sich mit dem Alter automatisch Gelassenheit?

So schön es auch wäre: „Mit dem Alter zieht nicht automatisch die Gelassenheit ein." Das sagt der Pädagoge und Podcaster Bertram Kasper (Gelassen älter werden"), der sich selbst als Altersstratege bezeichnet. Denn die Gruppe der Älteren ist wie auch die Forschung immer wieder betont - heterogen.

Eine Tendenz in Richtung Gelassenheit gibt es aber. „In wohlhabenden Ländern wie Deutschland beobachtet man, dass im Alter im Schnitt ruhige Emotionen stärker werden - dass man sein Leben genießen kann oder mehr Entspannung verspürt", sagt Pavlova. Wichtig ist hier aber die Info: im Schnitt. „Es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen."

Entscheidend dafür, wie gelassen man durchs Leben geht, ist weniger das Alter - und mehr die Struktur der eigenen Persönlichkeit. „Vieles deutet darauf hin, dass Menschen Kontinuität haben, in ihrer Persönlichkeit, in ihren Reaktionsmustern", sagt Maria Pavlova.

Wer schon immer entspannt und mit viel emotionaler Stabilität durchs Leben gehen konnte, dem fällt Gelassenheit im Alter leichter, sagt auch Bertram Kasper. Wer schon immer eine Runde mehr auf dem Gedankenkarussell gedreht hat, der hat es schwerer.

Welche Rolle spielt die Lebenserfahrung?

Sie kann uns etwas an die Hand geben, um Herausforderungen besser zu bewältigen. „Wenn Menschen schon ein ganzes Leben hinter sich haben - ein ganzes Berufsleben etwa - da hat man sich gut kennengelernt und ein gutes Gespür für seine Stärken und Schwächen", sagt Bertram Kasper.

Und Menschen haben schon Übergänge und Krisen gemeistert. „Und sie haben daraus gelernt, was im eigenen Leben gut funktioniert und wodurch ich als Individuum Sicherheit erlange. Das ist wertvoll", sagt Kasper.

Er verweist auf die sogenannten „Big Five", ein Modell aus der Persönlichkeitspsychologie, das fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit abbildet. Eine von ihnen ist die Verträglichkeit, also das Maß an Empathie und Rücksicht im Umgang mit anderen Menschen. Laut Kasper nimmt sie bei vielen Menschen im Alter zu. „Wenn ich älter werde, muss ich mir nicht mehr so viel beweisen und nicht mehr so viel in Auseinandersetzung treten."

Auch die Gewissenhaftigkeit - eine weitere Dimension verabschiedet sich bei vielen Älteren mehr und mehr. „Für die Gelassenheit ist es gut, wenn die Gewissenhaftigkeit abnimmt, weil man dann leichter alle fünf gerade sein lassen kann", sagt Kasper. Dann kann man entscheiden: Ich bleibe heute länger im Bett liegen und verzichte heute auf meine Morgenrunde. Und das auch genießen.

Wie können wir gelassener werden?

Gelassenheit üben - das klingt groß, schwer greifbar. Aber weil sie sich laut Bertram Kasper immer auf einzelne Situationen bezieht, kann man sie im Kleinen trainieren. Wenn die Bedienung im Café auf sich warten lässt. Oder beim Blick in den Spiegel, auf das Haar, das immer dünner wird.

Laut Psychologin Maria Pavlova ist es für mehr Gelassenheit wichtig, zwischen wichtigen und unwichtigen Situationen unterscheiden zu können. „Also zwischen Situationen, in denen ich kämpfen muss, weil in einem mir sehr wichtigen Bereich etwas gegen meinen Willen passiert und Situationen, die nicht so wichtig sind", sagt sie. Denn so setzt man seine Energie clever ein. dpa