Kirmes in Werne - Sim-Jü 2023 Anzeige

Kirmes in Werne - Sim-Jü 2023: Schwein gehabt

Die Geschichte des Kram- und Viehmarktes: Anekdoten und beeindruckende Zahlen.

Dieser Mann auf dem Viehmarkt trägt ein junges Borstenvieh davon. Das Bild entstand wohl in den 1930er- oder 1940er-Jahren. FOTO FÖRDERVEREIN STADTMUSEUM WERNE

Der Kramund Viehmarkt ist ein fester D Programmpunkt der Sim-Jü-Kirmes. Auch 2023 werden in der Altstadt wieder zahlreiche Händler ihre Waren anbieten. Was den Markt in seiner ursprünglichen Form auszeichnete, ist jedoch längst Vergangenheit. Denn einst ging es hier weniger ums „Kramen“, sondern vor allem ums Vieh. In alten Dokumenten finden sich neben beeindruckenden Zahlen auch die ein oder andere nette Anekdote.

Zum Beispiel aus dem Jahr 1846. Da sorgt ein Bauer aus Rünthe fast schon für einen Eklat. Viehhändler und Bauern müssen zu jener Zeit nicht nur Standgeld, sondern auch ein sogenanntes „Pflastergeld“ an den Stadttoren zahlen, um die Straßen mit den Tieren passieren zu dürfen. Besagter Mann aus Rünthe will seinen Geldbeutel jedoch schonen und erklärt dem Pförtner kurzerhand, dass die rund 70 Schweine, die er dort gerade vor sich her treibt, nicht ihm gehören, sondern einem anderen Viehhändler. Dieser werde nachkommen und die Zahlung leisten.

Doch das passiert nicht. Der Rünther wird daraufhin wegen Hinterziehung“ angeklagt und verstrickt sich bei seiner Anhörung in Widersprüche. In der Folge muss er tatsächlich tief in die eigene Tasche greifen und den vierzigfachen Betrag des Pflastergeldes als Strafe zahlen.

Das Vieh, um das seinerzeit hauptsächlich auf dem damaligen „Mühlenfeld“ gefeilscht wird, landet übrigens nicht nur als Speise auf dem Teller. Auch Nutztiere sind gefragt. Sogar Militärs aus Belgien, Frankreich und Spanien sollen den Markt aufgesucht haben, um sich nach Pferden für die Kavallerie umzuschauen.

Das ist auf Viehmärkten zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich - genauso wie die Märkte selbst. Denn derlei Veranstaltungen finden damals auch in Werne regelmäßig statt - an Sim-Jü aber gewiss ein paar Nummern größer als üblich. Rund um das große Volksfest herrscht in der Lippestadt nun mal der Ausnahmezustand. Das belegt auch ein Blick in die Statistik.

Pferde, Schweine, Rindvieh

Inzwischen ist das einstige „Mühlenfeld“ bebaut. Als es sich noch um eine Ackerfläche handelte, wurde hier zu Sim-Jü noch mit Vieh gehandelt. FOTO FÖRDERVEREIN STADTMUSEUM
Inzwischen ist das einstige „Mühlenfeld“ bebaut. Als es sich noch um eine Ackerfläche handelte, wurde hier zu Sim-Jü noch mit Vieh gehandelt. FOTO FÖRDERVEREIN STADTMUSEUM

Wie viele Pferde, Schweine und Rindvieh zu Sim-Jü in die Stadt getrieben wurden, hat Autor und Kirmes-Experte Rainer Schulz in seinem Buch ,625 Jahre Simon-Juda-Markt Werne“ aufgeführt. Und zwar für den Zeitraum zwischen 1856 und 1968.

Die wohl beeindruckendste Zahl stammt dabei aus dem Jahr 1910, als insgesamt 3500 Schweine auf dem Markt angeboten wurden. Das meiste Rindvieh gab es 1871 mit 2500 Tieren. Der größte Pferde-Auftrieb ist hingegen für das Jahr 1857 mit 650 Tieren dokumentiert. Doch die Statistik zeigt auch einige Nullen. So sorgte etwa die Maul- und Klauenseuche dafür, dass 1911 sowie 1951 und 1952 weder Rind noch Schwein angeboten wurden. 1964 und 1966 fiel der Simwegen der Jü-Viehmarkt Krankheit sogar komplett aus. Auch von 1945 bis 1947 fand er nicht statt. Aufgrund mangelnder Nachfrage wurde der einst so wichtige Viehmarkt nach 1968 schließlich bedeutungslos und fortan lediglich als traditionelles Anhängsel weitergeführt. Längst standen zu dieser Zeit Fahrgeschäfte und Co. im Mittelpunkt des Kirmes-Geschehens.

Quasi aus nostalgischen Gründen wurden zu Sim-Jü jedoch zumindest auf dem kleinen Parkplatz hinter dem Busbahnhof immer noch einige Boxen mit Federvieh und Ponys aufgestellt. 2021 fielen dann jedoch auch die komplett weg.

Der Grund: Das dort gezeigte Vieh stammte in den Jahren zuvor von der Firma Mecke, die durch den Tierquäler-Skandal im Sommer 2021 schwer in Verruf geraten war. So wurde aus dem Viehmarkt letztlich ein reiner Krammarkt.

Von Felix Püschner