Der größte Pflegedienst der Nation arbeitet von zu Hause aus. 80 Prozent der rund 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden daheim versorgt, ein Großteil davon überwiegend von Angehörigen. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Das kann schöne Momente bringen, aber auch eine Menge Belastung. Vor lauter Sorge um den Angehörigen, wird das eigene Wohl dabei allzu oft vernachlässigt. Mit zum Teil erheblichen Folgen. Nicht selten werden Pflegende anschließend selbst Pflegefälle", beobachtet Katrin Thiem. Sie vertritt die Abteilung Gesundheits- und Altenhilfe des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn. Das zeigt: Selbstachtsamkeit ist ein entscheidender Faktor, um die Herausforderung der häuslichen Pflege zu meistern und sich dabei aber nicht selbst über die eigenen Grenzen hinaus aufzuopfern.
Oft ist ein Bedürfnis der Angehörigen, ihre Liebsten so lange wie möglich selbst zu pflegen. Viele haben sich versprochen, füreinander zu sorgen, sagt Sabine Lohmann, Kurberaterin beim Caritasverband. Die finanzielle Seite spielt auch eine Rolle: „Ein stationärer Aufenthalt ist immer mit Kosten verbunden, die nicht jede Familie tragen kann."
Einigen Angehörigen sei anfangs nicht klar, wie groß Aufwand und Belastung in einer Pflege-Situation wirklich seien, so Lohmann. Der Ehrgeiz, diese Aufgabe zu schaffen, stehe im Vordergrund. Die eigenen Bedürfnisse kämen dagegen meist zu kurz.
Wenn die Pflegesituation nicht akut einsetzt, rutschen Angehörige teils eher unbewusst in eine Vollzeit-Pflege hinein, sagt Markus Küffel, Gesundheitswissenschaftler und Geschäftsführer von „Pflege zu Hause", einer Vermittlungsagentur für Betreuungskräfte. übernimmt Aufgaben. „Man immer mehr Anfangs vielleicht nur den Einkauf, später die Unterstützung bei der Körperpflege."
Kontakt zu sich selbst
Besonders bei einem solchen schleichenden Prozess sei es oft schwierig, einen Schlussstrich zu ziehen, sagt Psychologin Eva Asselmann. Man sollte versuchen, den Kontakt zu sich selbst nicht zu verlieren und auf sein eigenes Wohlbefinden zu achten“, empfiehlt die Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Health and Medical University in Potsdam. Zudem muss man sich klarmachen: ,,Professionelle Pflege ist kein Laien-Job", sagt Küffel, der selbst als Pflegefachkraft gearbeitet hat. Um eine Betreuungssituation realistisch einschätzen zu können, sollte man sich einen möglichst genauen Überblick verschaffen. Hierzu eignet es sich, einen Stundenplan zu erstellen oder eine Zeit lang alle Arbeiten in einem Pflegetagebuch zu protokollieren.
Es helfe, sich objektiv vor Augen zu führen, welche Aufgaben wann anstehen, erklärt Küffel. Das gibt Aufschluss, wie sich persönlicher Alltag und Pflege miteinander vereinen lassen. „Man muss sich fragen, wie viel Zeit man entbehren kann und will." Die Planung sollte auch mit der betreuungsbedürftigen Person abgeklärt werden. „Die meisten zu Pflegenden sind ebenfalls erleichtert, wenn ihren Liebsten Last abgenommen werden kann“, sagt der Experte.
Kommt man zu dem Schluss, die Pflege nicht alleine leisten zu können, gibt es viele Beratungs- und Begleitangebote, um Lösungen für die eigene Situation zu finden. Als erste Anlaufstelle eignen sich Pflegestützpunkte, da diese eine kostenlose Beratung bieten und die Angebote vor Ort gut kennen. Auch Fragen zur Finanzierung, etwa welche Leistungen von der Pflegekasse bezahlt werden, können dort beantwortet werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Entlastung durch verschiedene Unterstützungsangebote im Bereich der Pflege zu bekommen, sagt Caritas-Kurberaterin Lohmann. Man könne beispielsweise Aufgaben an Fachkräfte abgeben und sich damit Freiräume schaffen.
Die pflegebedürftige Person könne zum Beispiel für einen oder zwei Tage in der Woche in eine Tagesbetreuung gehen. Oder sie geht für eine gewisse Zeit in eine Kurzzeitpflege. dpa