Deutschland ist Weltmeister bei den Männern. Deutschland ist Weltmeister bei den Frauen. Und bei den World Games, den Spielen der nicht-olympischen Sportarten, ist Deutschland ebenfalls die Nummer 1. Dennoch nimmt kaum jemand von dem Sport Notiz, um den es geht. Faustball fristet ein Randdasein im öffentlichen Interesse. Mehr noch als das: In vielen Regionen findet Faustball nicht einmal statt. Dort gibt es keine Ligen, keine Turniere. Auch Castrop-Rauxel gehört dazu. Ganz Castrop-Rauxel? Einmal in der Woche treffen sich sechs Männer in der Sporthalle Cottenburgschule und sorgen dafür, dass Castrop-Rauxel kein blütenweißer Fleck bleibt. Dann wird trainiert, dann wird gespielt.
„Als ich anfing, da hatten wir noch drei Mannschaften“, erinnert sich Ludger Chapelier. Er leitet das Training, er ist die Seele des Spiels. Seit sagenhaften 49 Jahren ist er dabei, immer im Castroper Turnverein, der den Faustballern das Dach über den Kopf bietet. Wenn er nächstes Jahr das Goldene Jubiläum feiert, wird er 76 Jahre alt sein. Unterschätzen sollte man den ehemaligen kaufmännischen Angestellten trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht. Die Erfahrung macht ihn gefährlich.
Taktikverständnis und Übersicht
„Wir sind eine recht bunt gemischte Truppe. Ich bin der Älteste, der Jüngste ist 16.“ Das ist ungewöhnlich. „Leider ist es sehr schwierig, Menschen für unseren Sport zu begeistern. Faustball ist eine Randsportart und da gerade junge Menschen sich gerne auch miteinander messen, es in unseren Breiten aber keinen Ligabetrieb gibt, wir also tatsächlich aus der Liebe zum Spiel spielen, ist es schwer, jüngere Menschen zu begeistern.“
Dabei ist es durchaus möglich, auch im fortgeschrittenen Alter mit dem Sport zu beginnen, denn Faustball ist auch ein Sport, der Taktikverständnis und Übersicht fordert.
Faustball ist mit Volleyball verwandt, gespielt wird aber nicht an einem Netz, sondern an einem Seil. In der Hallenvariante entspricht die Feldgröße einem Handballfeld, im Gegensatz zu Volleyball darf der Ball innerhalb des Spielfeldes einmal auf den Boden springen. Auch haben die Spieler feste Positionen. In seiner (populäreren) Feldvariante ist das Spielfeld ungleich größer, weshalb die Spieler auf ihren festen Positionen viel größere Räume abdecken müssen als im Volleyball. In der Feldvariante spielen fünf gegen fünf, in Castrop spielt man im Modus drei gegen drei.
Ludger Chapelier hat früher auch Fußball gespielt. Er war ein begeisterter Radfahrer. Seine Liebe aber gehört dem Faustball. „2007 haben wir die Herren-Weltmeisterschaften besucht“, erinnert er sich. Die fanden seinerzeit in Deutschland statt, Hauptaustragungsort war Oldenburg. In Norddeutschland hat Faustball ein ganz anderes Standing als in NRW. Gerade in kleinen Städten und Gemeinden hat sich Faustball dort eine Nische erkämpft. Folgerichtig haben die Meisterschaften denn auch in Niedersachsen stattgefunden, bei denen die Faustball-Weltmacht Deutschland allerdings „nur“ Platz 3 belegte. Vielleicht bekommt der Sport ja 2023 etwas mehr Aufmerksamkeit? Dann wird Mannheim die besten Spieler der Welt begrüßen. Ludger Chapelier würde sich schon freuen, wenn einfach ein paar Interessenten kämen, die Lust an dem Spiel haben.
Info: Das Training/Spiel findet dienstags von 20 bis 22 Uhr in der Turnhalle Cottenburgschule an der Cottenburgstraße 156 statt (Eingang über Westhofenstraße). Weitere Infos gibt es unter Tel. 0162-5816112. Christian Lukas