Wenn es um Bundesliga-Sport geht, ist Castrop-Rauxel zumeist nur als Zuschauer auf der Tribüne zugegen. Die eine große Ausnahme ist natürlich Korfball, eine Sportart, in der Castrop-Rauxel eine echte Macht darstellt. Ein wenig unbemerkt jedoch hat sich in einer weiteren Sportart eine Mannschaft in der Zweiten Bundesliga ihrer Disziplin inzwischen festsetzen können. Die Rede ist vom Bahnengolfsportverein Castrop, den Bahnengolfern von der Recklinghauser Straße.
„Wir waren ja schon etwas überrascht, als wir 2019 aufstiegen", erzählt Udo Sternemann und ein gewisser Stolz ist nicht zu überhören, wenn er von diesem Aufstieg berichtet. Als Drittligamannschaft waren die Castrop-Rauxeler etabliert, doch dann spielten sie schlicht diese „eine“ Saison, in der alles passte. Und dann konnte die Klasse auch noch direkt gehalten werden. Dass zwischen den Spielzeiten die Corona-Zeit liegt, dass der Spielbetrieb ausgesetzt worden ist, dass Corona-Ausfälle das Mannschaftsgefüge durcheinanderwirbelten, „das ist Vergangenheit! Wir konzentrieren uns jetzt auf die kommende Spielzeit und wir sind motiviert."
Mitten in die Pandemie ist 2021 auch das sechzigjährige Bestehen des Vereins gefallen, der 1961 auf einer Anlage im Castroper Holz gegründet worden ist, die es heute nicht mehr gibt. Udo Sternemann gehört zwar nicht zu den Gründungsmitgliedern, aber immerhin: 1969 ist er in den Verein mit 15 Jahren beigetreten.
Ja, Bahnengolf ist ein Sport, den man auch im gesetzteren Alter noch spielen kann", sagt er mit einem Lächeln, und so ist es nicht ungewöhnlich, dass im Bundesligabetrieb durchaus Sportlerinnen und Sportler unterwegs sind, die in anderen Sportarten längst in die Seniorenmannschaften versetzt worden wären. „Coolness und Routine sind wichtiger als eine jugendliche Physis."
Über Minigolf zum Bahnengolf
Udo Sternemann kam seinerzeit über seinen Cousin zum Minigolf. Der wohnte nahe der Anlage, die beiden Jungs gingen oft hin, hatten dort ihren Spaß. „Irgendwann wurde ich angesprochen, ob ich mir nicht vorstellen könnte, im Verein zu spielen. Ich habe dann auch schnell auf ersten Turnieren gespielt und seitdem - bin ich dabei." So wurde aus dem Hobby-Minigolfer der Bahnengolfer, der heute in der Zweiten Bundesliga aufläuft und mit dem gleichen Spaß und Elan bei der Sache ist wie anno 1969.
In einem Kader stehen sieben Spielerinnen und Spieler; wenn man auf einem fremden Platz spielt, kann man sich auf diesen mit einem sogenannten Pistenplan vorbereiten. „So ein Plan ist aber immer nur graue Theorie." Also fährt man samstags, vor einem Spieltag, auf die fremde Anlage, um ihre Eigenheiten vor Ort auszuspielen.
Zwar gibt es Normierungen, die von Bahnengolfanlagenbetreibern eingehalten werden und eine Vergleichbarkeit verschiedener Anlagen ermöglicht, doch Bahnengolf ist nun einmal eine Sportart, die draußen unter freiem Himmel ausgeübt wird. Ergo wirkt sich die Witterung auf die Beschaffenheit einer Anlage aus. Daher hat jede Anlage ihre Tücken und besonderen Herausforderungen.
Eine ruhige Hand und ein gutes Auge
Wie eine ideale Runde aussieht? Mit 20 bis 22 Schlägen. Alles über 24 gilt als sehr, sehr schlecht." Da staunt der Laie. Nach den aktuellen, offiziellen Regeln hat jeder Spieler pro Bahn sechs Versuche, um den Ball ins Loch zu bugsieren. Gelingt es nicht, wird die Bahn mit sieben Punkten gewertet; Hobbyspieler, die mit drei bis vier Schlägen jedes Loch nehmen, kommen also immer noch auf rund 50 Schläge. Für eine höhere Liga reicht das nicht. Es gibt einige wenige Betonbahnen, die so anspruchsvoll und schwierig sind, dass eine Runde mit 30 Schlägen noch in Ordnung ist, aber für die Bahnen, auf denen wir derzeit spielen, gilt dies nicht.“
Eine ruhige Hand und ein gutes Auge sind sicher für Spieler von Vorteil, wenn sie auf hohem Niveau spielen möchten. Das große Geheimnis der Vereinsspieler aber ist der Ball. Oder richtig: die Bälle.
Vor 50 Jahren gab es einen Ball, doch irgendwann hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass unterschiedliche Bahnen unterschiedliche Anforderungen stellen. Die simpelsten Unterscheidungen sind noch hart und weich, tatsächlich gibt es inzwischen unzählige Bälle für jede Anforderung, und jeder Spieler, jede Spielerin reist mit dem eigenen Ballkoffer von Spiel zu Spiel, um für jede Eventualität den richtigen Ball spielen zu können. Der Schläger ist da im Bahnengolf im Vergleich ein eher anspruchsloser Zeitgenosse.
Wohin die kommende Saison die Bahngolfer aus Castrop-Rauxel führen wird? „Unser Ziel ist der Klassenerhalt", sagt Udo Sternemann bescheiden. Der Rest - wird sich ergeben. Christian Lucas