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Castrop-Rauxel: Die Weinbaugrenze verschiebt sich nach Norden

Laut Winzerin Tina Krachten läuft bereits die Beantragung der Pflanzrechte für die "Reben am Kanal"

Der Weinberg ein Mitmachprojekt, für das noch Helfer gesucht werden. FOTO BERNHARD KLUG/ EGLV

Wein aus Castrop-Rauxel? Am Wasserkreuz soll in idealer Hanglage bald Wein angebaut werden. Die Beantragung der Pflanzrechte läuft.

Am Wasserkreuz plant die Emschergenossenschaft Weinbau in Castrop-Rauxel heimisch zu machen. Wo die Emscher den Rhein-Herne-Kanal unterquert, könnte bald so etwas wie Mosel-Feeling einkehren. Neu ist diese Info nicht. Weinbau in Castrop-Rauxel? Das klingt nach einem Bonmot für Fahrradtouristen, die auf ihren Wegen durchs Revier etwas fürs Auge präsentiert bekommen sollen.

,,Schaut her, Reben am Kanal?!" Da wird das Smartphone gezückt, die Kamera angeschmissen, geht an die ein Foto Verwandtschaft im Breisgau oder in Hannover-Calenberg, dazu kommt vielleicht noch ein lustiges Sprüchlein à la „haben uns nicht verfahren, sind immer noch im Pott", und weiter geht es. Doch hinter diesem überraschenden Farbtupfer an den Ufern der Emscher steht ein ernster Gedanke. „Ich befürchte für den Weinbau hier im Revier langfristig sogar beste Voraussetzungen“, berichtet Winzerin Tina Krachten. Moment? Sie „befürchtet" beste Bedingungen?

Weinreben werden nicht einfach eingepflanzt, der Boden muss erst vorbereitet werden. FOTO BERNHARD KLUG / EGLV
Weinreben werden nicht einfach eingepflanzt, der Boden muss erst vorbereitet werden. FOTO BERNHARD KLUG / EGLV

Natürlich ist es der Klimawandel, der diese ,,Befürchtung" weckt. Die Nordgrenze des Weinbaus hat sich in den letzten Jahren verschoben. Tina Krachten entstammt einer Winzerfamilie, die Liebe führte sie ins Ruhrgebiet. Hier betreut sie unter anderem fachlich im Auftrag der Emschergenossenschaft den ersten Ruhrpottweinberg am Phoenixsee in Hörde.

Dieser Weinberg ist tatsächlich von seiner Hauptfunktion her als eine Art Besucherattraktion zu verstehen. 96 Rebstöcke wurden an einem Südhang angepflanzt, 2015 konnte der erste Wein in Flaschen gefüllt werden.

Hanglage ist hervorragend

Inzwischen ist ein zweiter kleiner Weinberg in Dortmund-Barop entstanden, der immerhin etwas über 400 Rebstöcke umfasst; das Gelände in Castrop-Rauxel aber ist 1,3 Hektar groß, also 13.000 Quadratmeter. „Und die Hanglage ist hervorragend." Weintrauben brauchen Sonne. Und sie brauchen Wasser, welches sie sich aus dem Boden holen. Der Boden am Wasserkreuz bietet diese Möglichkeiten. Reben, die tief wachsen, dürften mit den Bodenverhältnissen vor Ort gut zurechtkommen. „Wir beobachten etwa in Rheinhessen, einer wirklich typischen Weinbauregion, seit geraumer Zeit Wassermangel in den Sommermonaten. Selbst Weinberge, deren Bewirtschaftung ein tiefes Wurzelwachstum der Reben seit Jahren begünstigen, bekommen dort Probleme.“

Im Ruhrgebiet ist das vorerst nicht zu befürchten. Das Revier eine Weinbauregion der Zukunft? Vor bald 30 Jahren schickte die Ruhr-Universität einen Aprilscherz an die Zeitungen der Region, in der die Presseabteilung vermeldete, dass an den Hängen unterhalb der Uni bald Wein angebaut würde. Die Story schlug Wellen, da einige Zeitungen das vordatierte Datum 1. April übersahen und die Story einen Tag zu früh abdruckten. Heute ist dies kein Scherz mehr. Der Klimawandel hat die Karten neu gemischt und die Weinanbauregion Ruhrgebiet ist alles andere als eine wilde Idee.

Nun pflanzt man eine Weinrebe nicht einfach ein. Der Boden musste vorbereitet werden; wenn ein Boden wie der am Wasserkreuz aufgeschüttet (modelliert) wird, muss sich ein stabiles Bodengefüge und vor allem das Bodenleben erst entwickeln. Es sind also schon einige Vorarbeiten gelaufen, über die auch in dieser Zeitung berichtet wurde. Ab Mitte Mai aber wird Tina Krachten in Sachen Reben loslegen.

Wie in Dortmund-Hörde- und Barop ist der Weinberg ein Mitmachprojekt, für das noch Helfer gesucht werden, die lernen wollen, wie man Weinbau betreibt. Für Castrop-Rauxel ist geplant, unter anderem sogenannte pilzwiderstandsfähige Rebsorten anzupflanzen, die erst in den letzten Jahrzehnten gezüchtet worden sind, wie Souvignier Gris, eine Weißweinsorte, die 1983 vom Weinbauinstitut Freiburg auf den Markt gebracht worden ist. Außerdem sind angedacht, Cabernet Blanc, Sauvignac und Cabaret Noir zu pflanzen. Um die Größenordnung des Geländes auch in Sachen Reben greifbar zu machen: 1,3 Hektar ermöglichen das Pflanzen von ca 7000 Reben, die 50 Hektoliter Wein pro Hektar ergeben sollen.

Vermarktung ist geplant

„Derzeit läuft die Beantragung der Pflanzrechte", führt Tina Krachten aus. Pflanzrechte? Natürlich ist es nicht verboten, Reben anzupflanzen. Dann ist es aber ein Hobby, wie es das am Phoenixsee ist, dessen Wein, und das ist der Punkt, nicht in Verkehr gebracht werden darf. Man darf ihn abfüllen und im „Eigenverbrauch" genießen. Aber eine kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet. Der Wein vom Wasserkreuz aber soll vermarktet werden (können).

Übrigens ist Weinanbau in der hiesigen Region keine Idee der Gegenwart. „Ausmittelalterlichen Quellen ist belegt, dass es im heutigen Hörde Weinbau gegeben haben muss", erzählt Ilias Abawi, Pressesprecher der Emschergenossenschaft, der den Weinbau der Gegenwart seit seinen Anfängen am Phoenixsee begleitet. Was bedeutet, dass der Weinbau nach Hörde eigentlich nur zurückgekehrt ist. Die sogenannte „Kleine Eiszeit", die etwa Mitte des 16. Jahrhunderts ihren Anfang nahm, ließ die Temperaturen sinken und damit verschwanden die Reben aus der Region, die dann ihre Passion für Hopfen und Malz entdeckte. Christian Lukas

> Interessierte Helfer und Unterstützer können sich melden unter: tina.krachten@gmx.de