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Atelier Mariana Gonzáles Alberti: Starke Frauen

BAROP. Wie leben und arbeiten die Künstler im Dortmunder Süden? In der 90. Folge unserer Serie stellen wir das Atelier von Mariana González Alberti vor.

Eine rund 65 Quadratmeter große Wohnung im Dachgeschoss nutzt Mariana González Alberti als Atelier. FOTOS GASS

Wenn man das Atelier von Mariana González Alberti in Barop betritt, glaubt man nicht, dass dort nur ihre Arbeiten zu sehen sind. Malerei, Gipsköpfe und Installationen entstehen dort, in der kleinen Wohnung im Dachgeschoss. Und immer wieder sieht man ähnliche Charaktere auf den Leinwänden: charakterstarke Frauen mit einem stolzen Ausdruck. Dass die Figuren an Tänzerinnen erinnern, ist kein Zufall: Mariana González Alberti ist auch Tänzerin.

Schon als Kind in Buenos Aires war die Argentinierin fasziniert von und Kunst Tanz. ,,Studier etwas Vernünftiges", hat ihr Vater gesagt - also hat sie heimlich die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule gemacht. Nach zehn Jahren hatte sie drei Abschlüsse: in Malerei und Bildhauerei und als Tänzerin.

Beuys ist fremd

,,Als Tänzerin habe ich zwei Jahre gearbeitet. Aber ich muss tanzen, was ich fühle und nicht so, wie es sich ein Choreograf ausdenkt", zählt die Künstlerin. Also hat sie sich auf die bildende Kunst konzentriert - und das blieb auch so, als sie ihren Mann, einen deutschen Musiklehrer, der für ein Jahr nach Argentinien gegangen war, um Bandoneon spielen zu lernen, kennengelernt hat und ihm 2007 nach Barop gefolgt ist.

Und jetzt schwärmt die 48-Jährige, wenn sie von den Förderungen, die Künstler in Deutschland bekommen erzählt. Auch das Kunstverständnis sei in Argentinien anders: „Die Argentinier verstehen unter aktuellen Künstlern van Gogh oder Monet. Ein Künstler wie Beuys ist dort total fremd. Mein Lehrer in Argentinien war zum Glück anders", erzählt die Baroperin: ,,Deutschen Expressionismus habe ich schon mit sechs Jahren gelernt - Kino, Musik und Kunst. Alles, was dazu gehört."



"Ein Bild soll Fragen stellen und nicht nur aus schönen Farben bestehen."


Mariana González Alberti

,,In Argentinien werden Künstler oft als verrückte Romantiker, der lieber einen anderen Job machen sollten, bezeichnet. Das ist in Deutschland anders. Ich habe gestaunt, dass man auf der Steuererklärung ankreuzen kann, dass man Künstler ist", sagt die 48-Jährige.

Kunst der Seidenraupen

Dass es schwer ist, von Kunst zu leben, weiß sie. „Aber mein Lehrer in Argentinien hat immer gesagt ,'Vergesst nicht, dass van Gogh zu Lebzeiten kein Bild verkauft hat. Wenn ihr nur ein Bild verkauft, seid (ihr besser als van Gogh'".

Die Schönheit und die innere Kraft der Menschen will die Baroperin auf ihren Bildern zeigen. Auch die unbequeme Wahrheit - wie in dem Bild einer Migrantenfamilie. „Kunst soll Fragen stellen, ein Bild soll nicht einfach nur aus schönen Farben bestehen, die über das Sofa passen", sagt die Künstlerin.

Solche Fragen stellt sie auch im Bild „Anna“ – nach Tolstois Anna Karenina. Neben der Figur steht ein Text in goldener Schrift aus dem Roman, den ihr eine Ukrainerin übersetzt hat - ein Jahr vor Kriegsbeginn. Und auch mit ihren Installationen stellt die Baroperin Fragen. So hat sie vor einiger Zeit Seidenraupen gezüchtet. Als die Kokons auf einer schwarzen Platte geplatzt sind, ist ein faszinierendes Kunstwerk entstanden. Einige der weißen Raupen hat sie auf verbrannte Polyesterklumpen gesetzt. Um die Raupen zu füttern, hat sie Blätter von Maulbeerbäumen gesammelt. Dabei ist sie in Dorstfeld auf eine Maulbeerbaum-Plantage gestoßen. Ältere Dortmunder haben Mariana González Alberti erzählt, dass die Bäume im Zweiten Weltkrieg als Nahrung für Seidenraupen gepflanzt wurden, die zur Herstellung von Fallschirmseide gezüchtet wurden. - Faszinierend, so wie die Kunst der Argentinierin, die außergewöhnlich, anrührend, klug und spannend ist. Julia Gaß