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Erde zu Erde

Ein Start-up möchte Verstorbene zu Humus werden lassen. Aber einige Kritiker sehen darin bloß Kompost und fürchten eine Störung der Totenruhe.

Die „,Reerdigung“ ist auch auf einem klassischen Friedhof möglich. Vor der Beisetzung wird der Verstorbene allerdings„zu Humus transformiert“. Das Verfahren ist neu, aber umstritten. FOTO GASS

Eine gotische Friedhofskapelle in Kiel, 123 Jahre alt, mit einer Fensterrose. Sie beherbergt zugleich Gegenwart und Zukunft des Bestattungswesens. Während vor dem linken Kapellenflügel ein Leichenwagen vorfährt, Mitarbeiter in schwarzen Gewändern auf ihren Einsatz warten, steht im rechten Kapellenflügel ein Mann mit dunklem Dutt und modischer Pilotenbrille vor einem holzverkleideten Kunststofftank.

Bett aus Stroh

„Das riecht einfach schön“, sagt Pablo Metz, als er eine Handvoll Halme aus dem Tank hebt. Vor ihm liegt ein menschengroßer Holzschnitt auf einem Bett aus Stroh, auf der Brust ein Bund Ähren.

Während auf der gegenüberliegenden Seite ein Mensch in Sarg oder Urne verabschiedet wird, sollen auf der Seite von Metz bald keine Holzfiguren, sondern Tote gebettet werden. Der Tank mit dem Leichnam wird dann mit einem schwarzen Kunststoffdeckel verschlossen. Anschließend, sagt Pablo Metz, werde der Körper im Inneren zu Humus „transformiert“. Seine Kritiker sagen, der menschliche Körper werde schlicht kompostiert. Das Ergebnis bleibt gleich: Öffnet man den Deckel nach 40 Tagen, sollen dort mehr als 100 Kilogramm Erde liegen, bereit zur Bestattung auf dem Friedhof.

Reerdigung nennt sich das Verfahren, das Metz, 43, ein ehemaliger IT-Unternehmer, mit einem Geschäftspartner entwickelt hat. In den USA erlaubte der erste Bundesstaat die Bestattungsform bereits 2019. In Deutschland ringen Metz und seine Mitstreiter derzeit um die Zulassung. Es geht dabei um die Würde der Toten, um blumige Sprachbilder und um die Umwälzung einer speziellen Branche.

Seit Jahrhunderten werden Verstorbene hierzulande entweder in einem Sarg bestattet oder in einem Sarg verbrannt und anschließend in einer Urne beigesetzt. Während man seine Asche in anderen Ländern zu Diamanten pressen lassen kann, eine Urne in den Weltraum schießen oder wenigstens auf den Kaminsims stellen darf, sind in Deutschland Bestattungswälder die größte Innovation der vergangenen 25 Jahre. Dabei wächst das Interesse an neuen Bestattungsformen stetig, doch die Bundesländer kommen mit ihrer Gesetzgebung nur zögerlich hinterher. 

Eine Ausnahme bildet Schleswig-Holstein. Da hat Metz 2022 die Erlaubnis erhalten, sein Verfahren in einer Pilotphase zu erproben. 16 Menschen wurden bislang „reerdigt“. Den Ablauf der Reerdigung stellt Metz' Firma Meine Erde so dar: Neben Stroh befindet sich in dem sargähnlichen Tank-Grünschnitt aus Klee und Lupinen.

In dem verschlossenen Kokon, wie ihn die Firma nennt, zersetzen Mikroorganismen im Körper und in dem Pflanzengemisch den Leichnam. Chemikalien würden nicht beigegeben, die Temperatur von rund 70 Grad sei ideal. Übrig gebliebene Knochen würden zermahlen und der Erde beigefügt. Getestet wurde das umstrittene Verfahren zunächst an Hühnern und Schweinen.