Die Klimadebatte macht vor dem Baugewerbe nicht halt. Nachhaltigere Baustoffe wie Lehm und Stroh rücken damit wieder in den Fokus, auch wenn sie genau genommen ein alter Hut sind. Schließlich werden sie bereits seit Jahrhunderten genutzt.Zudem findet die Forschung zum Teil ungewöhnliche Ansätze für das nachhaltige Bauen der Zukunft. Ausgereift sind die allerdings noch nicht immer. Eine Auswahl:
Aus dem Meer in die Hauswand
Seegras ist ein marktreifer nachwachsender Wärmedämmstoff – und es bietet nach Einschätzung von René Görnhardt viele Vorteile. „Man muss es nicht anbauen, denn es wächst auf dem Meeresgrund“, sagt der Baustoffexperte der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Seegras habe einen hohen Salzgehalt und brenne dadurch nicht so leicht, so Görnhardt. Es lasse sich einfach verarbeiten. Der Dämmwert sei mit einer konventionellen Dämmmatte vergleichbar.
Dazu kommt: Die Faser kann relativ viel Feuchte aufnehmen, ohne dass sie an Dämmwirkung und Massenvolumen verliert, während sich viele der herkömmlichen Stoffe vollsaugen und zusammensacken – die Folge sind Hohlstellen, die schlimmstenfalls zu einem unliebsamen Schimmelbefall führen.
Eine Wand aus Rohrkolben
Schilf und Rohrkolben (Typha) wirken nicht gerade stabil. Doch verarbeitet als Platten halten sie durch ihre Kammerform – sie sind innen hohl – Lasten aus. „Sie können in tragenden Innenwänden verbaut werden oder als Matte für die Dämmung genutzt werden“, erklärt Görnhardt. Durch die Wiedervernässung der Moore, so hofft er, könnten die Pflanzen wieder in größeren Massen regional angebaut werden.
Die Pflanzen an sich gebe es am Bau schon länger, nur durchgesetzt haben sie sich bislang nicht. „Das große Problem ist, dass sich viele Firmen sträuben, innovativen Entwicklungen im Baubereich eine Chance zu geben“, bemängelt Görnhardt.
Trennwände aus Popcorn
Popcorn zum Beispiel. Da geht es nicht um Kinofeeling auf der Baustelle, sondern um Spanplatten, die zu rund zwei Dritteln aus Holzspänen und zu rund einem Drittel aus Popcorngranulat bestehen, also aus verarbeitetem Mais. Sie sind seit 2011 unter dem Namen „BalanceBoard“ auf dem Markt und wesentlich leichter als übliche Spanplatten. Entwickelt wurde der Werkstoff an der Uni Göttingen.
Und das Forscherteam um Prof. Alireza Kharazipour will noch weiter gehen. Es arbeitet daran, Produkte aus 100 Prozent Popcorngranulat herzustellen. Das wird beleimt und kann anschließend in Form gepresst werden, zum Beispiel zu Stühlen, Platten oder Verpackungsboxen, also zu natürlichem Styropor-Ersatz. „Es funktioniert auch als Dämmstoff oder für Trennwände in Büros“, ergänzt Kharazipour.
Flachs als Bewehrung im Beton
Klassischerweise wird Beton durch Stahlstreben verstärkt, andere Bewehrungen bestehen aus Carbon oder Kunststoff. Künftig aber könnten sie aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, zum Beispiel Flachs. Das hoffen die Forscher am Fraunhofer-Institut für Holzforschung in Braunschweig, die daran arbeiten. Der Stoff sei korrosionsfrei, lange haltbar und habe die gleichen statischen Eigenschaften wie Stahlbeton, heißt es. Er soll günstiger in der Produktion sein und habe eine bessere CO2-Bilanz. Außerdem sei Flachs vielseitig einsetzbar: Da sich die Bewehrung aus Textil fast allen Formen anpasse, seien auch filigrane Bauten möglich.
Allerdings ist der Textilbeton noch nicht am Bau verfügbar. „Leider ist der Stoff noch nicht ausgereift“, sagt Baustoffexperte Görnhardt. dpa-tmn