Der Alltag einer Erlebnispädagogin ist alles andere als monoton – er ist gefüllt mit Abenteuern, Herausforderungen und unzähligen Möglichkeiten, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Christina Höring ist 25 Jahre alt und Sozialarbeiterin mit Zusatzausbildung zur Erlebnispädagogin in Werne, und damit Brückenbauerin zwischen Erlebnissen, Jugendlichen und ihrer persönlichen Entwicklung. Seit fast zwei Jahren lebt sie schon in Werne. Im Interview gibt sie einen tiefen Einblick in ihren Alltag im Jugendzentrum JuWel, der fernab von 9-bis-17-Uhr-Routinen liegt.
Frau Höring, was hat Sie nach Werne geführt?
Ursprünglich komme ich aus Horst, einem kleinen Dorf nebenan. Nach Werne zog es mich, als eine Wohnung frei wurde – ich wollte von zu Hause ausziehen.
Da ich auch hier zur Schule gegangen bin und meine Freunde hier leben, hat sich Werne einfach angeboten. Aktuell bin ich hier im JuWel mit einer halben Stelle eingesetzt und im Jugendzentrum Juzo in Olfen.
Könnten Sie uns kurz erklären, was Erlebnispädagogik überhaupt ist und warum sie so wichtig ist?
Erlebnispädagogik ist ziemlich vielseitig – da kann man sehr weit ausholen. Im Kern geht es darum, junge Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung, dem Alltäglichen, herauszuführen und ihnen hauptsächlich in der Natur, aber auch an anderen spannenden Orten, tiefgehende Erfahrungen zu ermöglichen.
Diese Erfahrungen sollen die Persönlichkeitsentwicklung fördern und die Gruppendynamik stärken. Es geht darum, die Jugendlichen aus ihrer Komfortzone herauszulocken und in einen Bereich des Lernens und Wachstums zu führen.
Nimmt man das Setting von einer Schulklasse, geht es beispielsweise oft darum, Erlebnisse zu schaffen, die die gesamte Gruppe zusammenwachsen lassen, sodass die Kinder und Jugendlichen lernen, gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln.
Wie sind Sie zur Erlebnispädagogik gekommen?
Das ist eigentlich eine ganz witzige Geschichte. Ich habe soziale Arbeit an der FH Münster studiert. Die Initialzündung für die Erlebnispädagogik gab es bei einer Praxismesse im ersten Semester meines Studiums.
Ein erlebnispädagogischer Träger aus Lübeck stellte sich vor, und eine Freundin und ich beschlossen: „Wenn wir im fünften Semester, dem Praxissemester, sind und nichts anderes in petto haben, dann bewerben wir uns einfach mal und schauen, was wird.“ Tja, und dann war es so weit und wir bewarben uns dort für unsere erlebnispädagogische Zusatzausbildung.
Das hat nicht nur den beruflichen, sondern auch meinen persönlichen Weg maßgeblich geprägt.
Wie sieht Ihr Alltag als Erlebnispädagogin im Jugendzentrum JuWeL aus?
Mein Alltag ist geprägt von Abwechslung und Vielfalt. Neben Büroarbeit umfasst er offene Treffs mit Koch- und Back-Angeboten, Spieleabende, Ferienfreizeiten und persönliche Gespräche mit den Jugendlichen, falls sie mal ein Problem oder Ähnliches haben. Mein Kollege beispielsweise war in den letzten Ferien mit den Jugendlichen Waldzelten und letzte Woche waren wir mit dem Jugendzentrum Olfen im Europapark.
Das alles muss natürlich auch noch organisiert werden. Gleichzeitig stehen auch Gespräche über Kooperationen mit der Stadt Werne und den Schulen auf dem Programm. Da kommt ganz schön viel zusammen.
Welche Angebote und Aktivitäten bieten Sie den Jugendlichen an?
Immer montags findet momentan ein Rap-Workshop statt. Und sonst ist es tatsächlich hier im JuWel immer davon abhängig, worauf die Jugendlichen gerade Lust haben. Ganz oft ist es dann mit Kochen verbunden, gemeinsam essen, UNO spielen. Ein etwas größeres Projekt, das schon ein bisschen länger läuft, ist der offene Treff. Hier haben wir zum Beispiel an einigen Nachmittagen mit Graffiti die Wände umgestaltet und die Theke aufgebaut. Das ist alles noch im Prozess. Die Jugendlichen werden dabei also auch immer mit einbezogen und bringen dann Ideen mit rein.
Demnächst steht zudem auch etwas ganz Besonderes an – eine China-Reise. Mein Kollege Karl Luster-Haggeney hat vor ungefähr 17 Jahren damit gestartet, durch Corona ist das alles ein bisschen eingeschlafen. Als die Pandemie vorüber war, haben wir gedacht, eigentlich können wir es ja jetzt wieder mit dem JuWel aufleben lassen. Letztes Jahr im Mai waren wir dann bei einem Fachkräfteaustausch, um eine geeignete Partnerorganisation in China zu finden. Nachdem wir an der MargaSpiegel-Schule Werbung gemacht hatten, waren alle zehn Plätze sofort vergeben.
Wie genau sieht so eine Reise aus?
Die Vorbereitungen sind bereits in vollem Gange. Wir hatten schon ein Wochenende, an dem wir uns mit gewaltfreier Kommunikation befasst haben, ein interkulturelles Training steht noch an.
Kurz vor den Sommerferien brechen wir dann für zwei Wochen nach China auf, und während der Sommerferien besuchen uns die Teilnehmer aus China. Wir begleiten die Jugendlichen natürlich und lassen sie die neuen Kulturen sowohl in China als auch hierzulande erleben.
Und wo wohnen die Teilnehmer?
In China sind wir in einem Hotel untergebracht, aber es besteht auch die Möglichkeit, dass die deutschen Jugendlichen in chinesischen Gastfamilien wohnen.
Hier werden die chinesischen Jugendlichen zusammen mit unseren Teilnehmern auf einem Jugendgästehof untergebracht.
Ist es für Sie das erste Mal, so einen Austausch mitzuerleben?
Ja, es ist für mich das erste Mal, dass ich an einem Jugendaustausch teilnehme – und die Vorfreude ist riesig. Während des Aufenthalts haben wir ein umfangreiches Programm geplant.
Da die Anmeldungen dafür schon durch sind: Steht nächstes Jahr eine ähnliche Reise an?
Ob wir auch nächstes Jahr wieder ein solches Ereignis planen können, hängt von mehreren Faktoren ab – unter anderem davon, wie sie dieses Jahr verläuft und ob mein Kollege, der bald in Rente geht, adäquat ersetzt werden kann.
Bisher haben wir uns auf Reisen nach China konzentriert, da wir dort bereits Kontakte haben. Karl hat jedoch auch schon in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA, Jugendaustausche organisiert. Es gibt viele Möglichkeiten – auch innerhalb Europas.
So eine Reise birgt auch immer Hürden. Was betrachten Sie allgemein als die größte Herausforderung in Ihrer Arbeit und wie gehen Sie damit um?
Eine der größten Herausforderungen ist definitiv der Personalmangel. Wir haben nur anderthalb Stellen für eine Fülle von Aufgaben und Projekten. Und da dann alles unter einen Hut zu kriegen mit den Projekten, die wir verwirklichen wollen, und den ganzen Außenterminen, ist wirklich schwierig. Da steckt ganz viel Ehrenamt hinter, weil wir dann einfach mehr machen, als die Arbeitszeit eigentlich hergibt.
Können Sie uns denn von einem besonders gelungenen Projekt oder einer Erfolgsgeschichte erzählen?
Unvergesslich ist meine allererste Waldfreizeit. Das war ganz witzig, da war ich noch gar nicht fertig mit meinem Studium. Ich wollte mich eigentlich beim Café Chaos bewerben, um nebenbei ein bisschen soziale Arbeit zu machen. Und dann hat mich Karl angerufen und gefragt: „Hast du nicht Lust, mal in den Wald zu fahren?“ Ich habe ihn noch nie gesehen und noch nie gesprochen. Dann bin ich an einem Abend hingefahren, um ihn kennenzulernen. Da hieß es dann: „Wir müssen noch einen Gasgrill abholen“ – und wir sind losgedüst.
Am Sonntag darauf ging es dann schon los. Ganz spontan. Ja, und dann waren wir wirklich im Wald in Niedersachsen. Wir haben gezeltet, es gab kein fließendes Wasser außer aus einer Bergquelle, gekocht wurde über dem Feuer und man war einfach mitten in der Natur – das war total schön.
Wie interagieren die Jugendlichen mit den erlebnispädagogischen Angeboten? Gibt es ein starkes Interesse und Engagement?
Sehr positiv! Die Teilnahme an Freizeiten oder Workshops ist immer gefragt. Es ist wunderbar zu sehen, wie engagiert und interessiert die Jugendlichen sind.
Was macht das Arbeiten in und mit der Stadt Werne so besonders?
Wir sind relativ frei in der Gestaltung unserer Arbeit. Und das ist ziemlich schön, das hat ja nicht jeder Angestellte. Ansonsten tauschen wir uns sehr gerne mit der Stadt aus, weil dabei tolle Projekte entstehen, zum Beispiel Wernutopia, ein Ferienangebot. Und auch mit der Marga-Spiegel-Schule können wir super zusammenarbeiten. Hier wollen wir vor Ort ein Kletterprojekt an den Start bringen. Wir haben Klettergriffe und Klettermaterialien besorgt und mit der Stadt abgesprochen, dass wir uns einen Baum aussuchen, wo wir das Ganze aufbauen können. Dann können wir mit verschiedenen Gruppen Baumklettern machen. Und eventuell auch einen Niedrigseilgarten und andere Kooperationsspiele.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Erlebnispädagogik, speziell im Kontext der Jugendzentren?
Mein größter Wunsch wäre natürlich, dass hier mehr Stunden reinkommen, sodass alles nicht so knapp getaktet ist. Einfach, damit man auch mehr Zeit mit den Jugendlichen verbringen kann.
Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der in die Erlebnispädagogik einsteigen möchte?
Einfach machen! Es ist so erfüllend, wenn man dann sieht, wie die Jugendlichen sich selber noch mal neu entdecken, neu kennenlernen, als Gruppe zusammenwachsen, Herausforderungen meistern. Die anfängliche Scheu legt sich schnell, und die Erfolge sprechen für sich. Natalie Mainka