Blickpunkt Castrop-Rauxel - Nachrichten aus Handwerk, Handel und Gewerbe Anzeige

"Menschen an der Emscher": Geschlossene Wunde

Auch nach der Renaturierung macht der Verein weiter: ,,Menschen an der Emscher" veranstaltet Touren.

<b>In den vergangenen 30 Jahren hat sich viel an der Emscher verändert.</b> FOTO DÜWEL
In den vergangenen 30 Jahren hat sich viel an der Emscher verändert. FOTO DÜWEL

"Menschen an der Emscher". Vor gut 40 Jahren ist der Verein an den Ufern der Kloake des Ruhrgebiets entstanden. Ja, das war der inoffizielle Name des Flusses, wenn man ihn denn überhaupt noch so zu nennen wagte.

„Wir müssen das nicht schönreden: Aber es war eine Kloake", erinnert sich Klaus-Dieter Tesch, heute Vorsitzender des Vereins und Ur-Anwohner der Emscher. „Es ist ja wirklich alles in die Emscher gepumpt worden." Der Fluss war eine offenliegende Kanalisation. Aber auch Zechen, Stahlwerke oder Brauereien nutzten den Fluss als Abwasserkanal. Ob Hydrauliköl oder Sud aus den Brauereikesseln: War es flüssig, wurde es in den Fluss gepumpt.

Mit ihrem Verein wollten die Anwohner seinerzeit darauf aufmerksam machen, dass es so nicht weitergehen konnte. ,,Als dann Pläne konkret wurden, die Emscher zu renaturieren, da waren wir natürlich erfreut."

Klaus-Dieter Tesch gehört nicht zu den Gründungsmitgliedern, aber seit über 30 Jahren engagiert er sich in dem Verein, der immer Kontakt zur Verwaltung, der Politik und zur Emschergenossenhaft gehalten hat.

Dass sich etwas am Horizont rund um die Emscher bewegte, kündigte die IBA Emscher-Park an, die internationale Bauausstellung. Ziel der IBA, die am 21. April 1989 begann, war es, mit neuen Ideen soziale, kulturelle und ökologische Impulse in der Emscher-Region zu entfachen. Das Ziel war nicht mehr und nicht weniger als die Neuerfindung der Region über die Stadtgrenzen hinweg.

Circa 5,38 Milliarden Euro haben die zahlreichen Renaturierungs- und Restaurationsarbeiten rund um die Emscher zwischen Dortmund und Dinslaken seit 1992 gekostet.

Zum ersten Mal klares Wasser

Dass sie aber auch ein Erfolg würden, daran vermochte Klaus-Dieter Tesch, der als Elektrotechniker an einem Lehrstuhl der Dortmunder Uni beschäftigt war, erst nach der Inbetriebnahme der Kläranlage in Dortmund-Deusen 1994 zu glauben. Ich bin heute 70 Jahre alt, ich habe mein Leben lang an der Emscher gelebt, aber erst im Jahr 1994 habe ich zum ersten Mal klares Wasser in ihrem Bett fließen sehen."

Das ist nun 29 Jahre her – und im September 2022 sind die Renaturierungsarbeiten mit dem Pflanzen einer Weinrebe am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel offiziell beendet worden.

Für den Verein kein Grund, die Arbeit einzustellen. Zu den Aktivitäten des Vereins gehören inzwischen regelmäßig stattfindende Radtouren an der Emscher, bei denen die Geschichte des Umbaus greifbar gemacht wird. Mit dem NABU Dortmund finden Führungen am Hochwasser-Rückhaltebecken Mengede/Castrop-Rauxel im Windschatten von A2 und A45 statt. An diesem etwas unwirklichen Ort hat sich ein erstaunliches Vogelparadies entwickelt.

Laut NABU sind 141 verschiedene Vogelarten hier seit der Inbetriebnahme des Beckens gesichtet worden. Einige lassen sich nur auf der Durchreise nieder, andere haben hier dauerhaft eine Heimat gefunden.

Während das Becken an der Stadtgrenze Dortmund-Mengede/Castrop-Rauxel inzwischen ein Vogelparadies darstellt, fehlt es in der Emscher bedauerlicherweise bis heute an Fischen. In Dortmund sind inzwischen einige Fische gesichtet worden, in einigen Nebenbächen findet man Stichlinge. Aber in der Castrop-Rauxeler Emscher herrscht diesbezüglich noch eine traurige Leere. Nach dem spektakulären Umbau der Kloake zurück zu einem sauberen Fluss, ist Klaus-Dieter Tesch jedoch guter Dinge, dass sich diese Wunde auch noch schließen wird.

Von Christian Lukas