Heike Beckmann ist ehrenamtliche Tierschützerin bei der Arche 90 in Dortmund. Ihr Engagement rettet nicht nur Leben, sondern sensibilisiert auch für einen sorgsamen Umgang mit Tieren, gerade im Alter.
Heike Beckmann, heute 64 Jahre alt und frischgebackene Rentnerin, ist seit mehr als drei Jahrzehnten eine zentrale Figur der Tierschutzorganisation Arche 90 in Dortmund. Als erste Vorsitzende setzt sie sich, komplett ehrenamtlich, für verletzte und verwaiste Tiere in der Region ein. Ihre Aufgabe? Vielfältig und anspruchsvoll. „Der Vorstand ist quasi Mädchen für alles“, beschreibt Beckmann augenzwinkernd ihre Rolle im Verein. Die Leidenschaft für Tiere begleitet sie seit ihrer Kindheit, der Beruf der Tierpflegerin blieb ihr jedoch verwehrt - ein Umstand, der der Geschlechterdiskriminierung in ihrer Jugend geschuldet ist.
Stattdessen schlug Beckmann eine Laufbahn als Erzieherin ein, bevor sie schließlich in der Heilpädagogik landete. Doch der Wunsch, mit Tieren zu arbeiten, blieb immer bestehen. Schon als Kind versorgte sie Regenwürmer mit Waffeln in ihrer Schürzentasche - aus Mitleid mit ihrem eintönigen Dasein in der Erde und aus unerschütterlichem Mitgefühl für ihre Mitgeschöpfe.
Ein Leben für den Tierschutz
1992 kam sie zur Arche 90, nachdem sie einen Zeitungsartikel über eine Schleiereule in einem Getränkemarkt fasziniert hatte. Dort fand sie die Tierschutzarbeit, die nicht nur das klassische „Hund-Katze-Maus“-Spektrum abdeckte, sondern auch ungewöhnliche Fälle wie eben jenen Greifvogel. Ihre Arbeit in der Arche ist geprägt vom Engagement für den Tierschutz, trotz der persönlichen und logistischen Herausforderungen.
Die Arche 90 entstand aus einem Telefonmarathon, als Ende der 80er-Jahre eine verwaiste Katze gefunden wurde und die Verantwortlichen keine Hilfe finden konnten. Heike Beckmann berichtet von den anfänglichen Herausforderungen, als Handys noch eine Seltenheit waren und die Vereinsmitglieder selbst zu Hause Anrufbeantworter und umständliche Cityruf-Verfahren organisieren mussten. Heute ist der Notruf der Arche rund um die Uhr besetzt.
Was ursprünglich mit einer schwarzen Katze begann, hat sich zu einer der wichtigsten Tierschutzorganisationen in Dortmund entwickelt, die heute 600 Mitglieder zählt, von denen etwa 10 Prozent aktiv sind.
Mit einem 24-Stunden-Notdienst reagiert die Arche 90 auf tierische Notfälle und bietet eine telefonische Anlaufstelle für dringende An-liegen. Doch die Zahl der Einsätze steigt stetig: von vier bis fünf pro Woche auf mittlerweile bis zu 18 pro Tag - eine enorme Belastung für das ehrenamtliche Team.
Herausforderungen
Eine der größten Herausforderungen sei die knappe Verfügbarkeit von Tierärzten, Beckmann. Früher betont gab es in Dortmund fünf Kliniken, heute ist keine mehr übrig, und es fehlt an Bereitschaftszeiten der Tierärzte, was die Notfallversorgung erheblich erschwert.
Die Einsatzfahrer der Arche stehen oft vor großen logistischen Herausforderungen, wenn sie die wenigen verbliebenen Kliniken anfahren müssen. Diese beschwerlichen Transporte sind notwendig, um die verletzten Tiere versorgen zu können - eine Arbeit, die nicht nur körperlich, sondern auch emotional belastend ist. Die dadurch entstehenden Kosten stellen die Arche gleichzeitig vor finanzielle Probleme. „Unsere Tierarztkosten sind ebenfalls enorm gestiegen“, erklärt Beckmann.
Gefahren der Technologie
Ein besonderes Anliegen ist Heike Beckmann der Schutz von Wildtieren, die durch moderne Technologien wie Mähroboter bedroht sind. Was einst als praktische Gartenhilfe galt, wird vielen Tieren zum Verhängnis. Besonders betroffen sind Igel, deren Verletzungen durch Mähroboter oft so schwer sind, dass sie nicht mehr gerettet werden können. In einigen Städten gibt es erste Verbote für den Betrieb von Mährobotern in der Nacht, doch Heike Beckmann plädiert für ein komplettes Verbot, um unnötiges Tierleid zu vermeiden.„Ich habe selbst so einen Mähroboter in der Ecke stehen anfangs war ich von der Erfindung begeistert“, erzählt die 64-Jährige. „Als dann allerdings die ersten Notfälle reinkamen, habe ich ihn gar nicht erst in Betrieb genommen. Der landet jetzt im Müll, denn verkaufen will ich ihn auch nicht mehr.“
Schwarzer Humor
Die Arche 90 ist ein Knochenjob, der auch emotional viel abverlangt, denn nicht jedes Tier kann gerettet werden. Umso wichtiger sind der Zusammenhalt und der Austausch im Team, in dem auch der schwarze Humor Einzug gehalten hat, um das Erlebte besser verarbeiten zu können.
Heike Beckmann kennt aber auch die schönen Seiten dieser Arbeit: „Jedes Tier, das überlebt, ist eine Geschichte, die Hoffnung macht.“ Besonders stolz ist sie auf einen kleinen Kater, der vor kurzem im Alter von nur sechs Wochen gerettet wurde und nun in einer Pflegestelle wohlauf ist.
Ehrenamt
Als weiteres Problem, mit dem die Arche 90 konfrontiert ist, nennt Beckmann die immer geringer werdende Bereitschaft der Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Der Bedarf an Freiwilligen sei groß, das Engagement aber oft gering. Die Gesellschaft müsse lernen, mitzudenken und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, statt sich auf das Handeln anderer zu verlassen. Dabei appelliert Beckmann, auch Kindern den Respekt vor allen Lebewesen zu vermitteln, und betont: „Tier ist Tier, und jedes Tier hat ein Recht auf Leben.“
Tipps für Haustierhalter im Alter
Für Senioren, die sich ein Haustier anschaffen möchten, hat Beckmann einige hilfreiche Tipps parat: Ein Haustier bedeutet Verantwortung und es sollte eine Tierart gewählt werden, die zum Lebensstil passt. „Ein Hund wird je nach Rasse 10 bis 20 Jahre alt. Man sollte sich der Verpflichtung bewusst sein.“ Ältere oder ruhigere Rassen können hier Vorteile bieten, da sie oft keine langen Spaziergänge fordern. Besonders die Adoption eines älteren Tieres kann eine sinnvolle Entscheidung sein, da diese Tiere oft weniger Ansprüche stellen und dennoch viel Liebe zu geben haben. Katzen hingegen sind pflegeleichter, brauchen aber auch Zuwendung und eine Umgebung, die ihren natürlichen Instinkten Rechnung trägt.
Heike Beckmann rät älteren Menschen außerdem, Vorsorge für den Fall zu treffen, dass sie sich nicht mehr selbst um das Tier kümmern können. Eine klare Absprache mit einem vertrauten Freund oder Verwandten ist unerlässlich.
Alternativ bietet die Arche 90 Unterstützung durch Pflegestellen, die Tiere vorübergehend aufnehmen können. So können Senioren die Freude an einem Tier erleben, ohne sich langfristig zu binden. Die Organisation übernimmt die Kosten für Futter und Tierarzt. Das schafft Flexibilität und gibt Tieren in Not die Chance auf ein liebevolles Zuhause. „Auch Tiere auf Zeit aufzunehmen, kann bereichern.“
Die Zukunft des Tierschutzes
Heike Beckmann sieht dringenden Handlungsbedarf in der Politik, wo gesetzliche Regelungen zur Heimtierzucht ausstehen. Außerdem fordert sie die Durchsetzung bestehender Tierschutzgesetze und die Abschaffung des freien Verkaufs lebender Tiere über Plattformen wie eBay. Nicht zuletzt plädiert sie für die Sicherung des Nachwuchses in der Veterinärmedizin, um den Fortbestand des Tierschutzes zu gewährleisten.
Sie ruft außerdem dazu auf, den eigenen Blick für die Bedürfnisse und die oft hilflose Lage der Tiere zu schärfen. Jeder kann einen Beitrag zum Tierschutz leisten, indem er achtsam durch den Alltag geht und bereit ist, verletzten oder in Not geratenen Tieren zu helfen. Insbesondere der Respekt und das Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen sollte in unserer Gesellschaft stärker verankert werden.
Heike Beckmanns Engagement für Tiere hat nicht nur in Dortmund Vorbildcharakter. Mit Hingabe und einem kritischen Blick auf Missstände kämpft sie unermüdlich weiter für die, die keine Stimme haben - und bewahrt sich dabei ihren unverkennbaren Humor. So bleibt sie, ganz im Sinne der Arche, stets auf ihrem Posten - mit dem Ziel, die Welt für Tiere Stückchen besser zu ein machen.
www.arche90.de
Von Natalie Mainka